Am Ende des ersten „Gute Lehrer, schlechte Lehrer“-Artikels war ein Link zu einem Video platziert, in dem die Frage gestellt wurde: Möchtest du ein populärer Lehrer sein, oder ein guter Lehrer? Hier geht es um genau diese Frage.
Wie ich schon sagte, bereite ich mich derzeit darauf vor, zum ersten Mal einen richtigen, regulären Bauchtanzkurs zu leiten. Bisher habe ich nur in Projekten oder privat unterrichtet. Daher überlege ich derzeit, wie ich meinen Unterricht aufziehen möchte, was für eine Art von Lehrerin ich sein möchte – nicht, dass ich das sofort perfekt umsetzen könnte, aber so als Ziel, wohin meine Entwicklung gehen soll.
Dabei schaue ich vor allem darauf, was mir als Schülerin wichtig ist und was meine tänzerische Entwicklung über die Jahre wie beeinflusst hat.
Ich habe 1997 angefangen Bauchtanz zu lernen. 10 Jahre später stellte ich frustriert fest: Ich kann mehr als 30 Choreografien, aber ich tanze so anmutig wie ein Sack Kartoffeln. Ich bin ein großer, breitschultriger westfälischer Trampel, daran haben 10 Jahre Training nichts geändert. War es nicht totale Zeitverschwendung, die Choreografien gelernt zu haben? Was bringt es mir, dutzende Choreografien gelernt zu haben, wenn ich in keiner davon eine gute Figur mache?
Überspitzt gesagt: Was bringt es mir, mich auf die Bühne zu stellen und aller Welt zu zeigen, wie schlecht ich tanzen kann?
Dieses Traditionelle Unterrichtssystem, in dem man das erste Jahr über Basics lernt, um dann möglichst schnell zu Choreografien über zu gehen und nur noch neue Techniken in Form von interessanten Kombinationen innerhalb der neuen Tänze lernt, hat sich bei mir nicht ausgezahlt.
Ist eine stete tänzerische Verbesserung im traditionellen Unterrichtssystem eigentlich vorgesehen?
Dieses Wochenende war ich zum ersten Mal seit längerem wieder bei einer typischen Bauchtanzshow, wie sie landauf, landab von so ziemlich allen Studios und Vereinen veranstaltet wird: alle Kurse zeigen, was sie gelernt haben und Oma, Opa, Eltern, Kinder, Enkel und Freunde sind eingeladen, es sich anzusehen. Im Vorraum stehen ein paar Stände mit orientalischem Krams und Kostümen, es sind ein paar lokale Größen als Gaststars angekündigt. Aufgrund der Masse an Schülerinnen reichte das Studio nicht aus. Also hat man die örtliche Bühne gemietet (Bürgerzentrum, Stadthalle, Festsaal eines Restaurants, o. ä.) und überall Werbung gemacht, mit dem Erfolg, dass auch einige Gäste orientalischen Aussehens dabei waren.
Zugegeben, die Kindergruppe war von Anfang bis Ende einfach putzig und so unglaublich niedlich in ihrem selbstvergessenen Ernst, dass ich mich wirklich über sie gefreut habe. Der Moderator war ein Könner, ein echter Unterhalter, wahrscheinlich der beste, den ich je erlebt habe. Die zuständige Lehrerin hatte ich schon öfters gesehen, allerdings war das schon wieder ein paar Jahre her. Sie war mir in guter Erinnerung geblieben und per Emails und Telefonate kenne ich sie als nette Person.
Also: hin und gucken was die so treibt.
Solche Shows sind für die Schülerinnen wichtig, um ihren Angehörigen einmal zeigen zu können, was sie so gelernt haben. Wer weiß, vielleicht steckt in einer von ihnen das Zeug, eines Tages zum Star zu werden und wie soll das gefördert werden, wenn sie nie eine Gelegenheit hätte, sich zu präsentieren? Eine Studioshow mit ihrer eher familiären Atmosphäre ist dafür glänzend geeignet.
So eine Show ist auch eine gute Gelegenheit, um Leute aus Workshops wieder zu sehen, Lehrer zu treffen, sich zu informieren, sich auszutauschen, kurz: zur Netzwerkpflege, zum Stärken der Gemeinschaft der Bauchtanzenden vor Ort.
Das sind die Gedanken, an denen ich mich versucht habe zu klammern.
Wenn ihr zwischen diesen Zeilen ein deutliches „Aber“ spürt und diese Art von Shows kennt, wisst ihr wohl auch, was dieses „Aber“ enthält und ich kann zu dem übergehen, was ich an dem Abend gelernt habe:
Als Lehrerin habe ich die Wahl, meine Schüler gut aussehen zu lassen.
Ich kann meine Schüler aber auch wie Stümper wirken lassen, indem ich ihnen nach Traditionellem Unterrichtssystem eine Choreografie nach der anderen hinwerfe, ohne mich um den Zustand ihrer Fähigkeiten zu kümmern. Hauptsache, sie tanzen die neuesten Trends und ich konnte noch diese und jene tolle Kombination drin unterbringen.
Eine simple, gut gemachte Choreografie zu fetziger Partymusik reicht meiner Meinung nach völlig aus, um einen Otto-Normal-Verwandten ohne Bauchtanzkenntnisse bestens zu unterhalten. Wenn ich mich dafür entscheide, habe ich im Unterricht mehr Zeit um die tatsächlichen Fähigkeiten meiner Schüler zu fördern. Dadurch hätte ich dann mittelfristig eine solide Basis geschaffen, die es den Schülern erlaubt, auch komplexere Choreografien zu lernen und dann auch mit denen eine gute Figur abzugeben.
Klar, der Anteil der Kursteilnehmer, der tatsächlich den Ehrgeiz hat eine tolle Tänzerin zu werden, ist vergleichsweise gering. Die meisten Schüler gehen in ihre Bauchtanzkurse, weil es ihnen Spaß macht, weil die Gruppe so nett ist, weil die Freundin auch dort ist, weil man das Gefühl hat, was für sich und den eigenen Körper getan zu haben. Aber auch diese Schüler wollen Erfolgserlebnisse, sie wollen sehen, dass sie was gelernt haben und das wollen sie auch zeigen.
Jeder Anfänger hat wohl schon zur ersten Bauchtanzstunde einen diffusen Traum, wie sie schon bald juwelenbedeckt durch einen Saal schwebt und die bewundernden Blicke aller auf sich zieht. Aber muss diese Phantasie denn sofort bedient werden? Verlangt sie tatsächlich eine Befriedigung auf Bestellung, auch wenn es ohne Substanz erfolgt?
Oder ist das nicht eher eine Vorstellung, die bei uns Lehrern entsteht?
Ist das Hinkotzen fertiger Tanzbröckchen und das gedankenlose Hinterherhoppeln wirklich die einzige Möglichkeit, unseren Schüler zu geben, was sie unserer Meinung nach verlangen, und dadurch dafür zu sorgen, dass sie brav Jahr um Jahr unsere Kurse füllen?
Ich war mal bei einem Technik-Workshop, bei dem die Lehrerin die Aufgabe stellte, in Kleingruppen jeweils eine Kombination über 4×8 unter Verwendung von 3 vorgegebenen, gerade gelernten Bewegungen zu erstellen. Die Kombinationen wurden dann nacheinander so lange vorgestellt bis die anderen Gruppen mittanzen konnten. Lerntheoretisch gesehen war das ein super Konzept.
Man sagte mir später, dass dies eine typische Möglichkeit sei, die Schüler zu beschäftigen, wenn man selbst am Ende eines langen Workshoptages ziemlich müde ist. Für mich als Teilnehmer war es einfach ein tolles Erlebnis! Endlich einmal selbst etwas zu machen, selber zu kreieren und das zusammen mit den netten Frauen von nebenan, war schlichtweg großartig!
Warum verweigern wir unseren Schülern solche Erlebnisse im regulären Unterricht? Glauben wir, dass sie gehirnlose Roboter seien, unfähig, selber zu tanzen, zu empfinden, zu erfinden?
Klar, das ist mehr Aufwand als am Jahresanfang sich eine Choreografie auszudenken und dann den Rest des Jahres nur noch Stückchen davon vorzuturnen.
Aber ist das langfristig ratsam?
Die Lektion des Abends hat mich gelehrt:
Ich muss nicht dem Gefühl nachgeben, meinen Schülern noch diese oder jene tolle Bewegung in die Choreografie einzuflechten oder schnell mal den neuesten Trend einzutrichtern. Ich muss nicht unrealistischen Wünschen nachgeben, nur weil ich sie wahrnehme. Ich habe nicht die Verpflichtung, private Phantasien umzusetzen, ich habe aber meinen Schülern gegenüber die Verpflichtung, sie nicht zur Lachnummer zu machen. Und ich habe dem Tanz gegenüber die Verpflichtung, ihn respektvoll zu behandeln.
Denn das ist es, was mir wirklich weh getan hat: es wurde das Bild vermittelt, dass Bauchtanz ein Tanz der Stümper sei. Ein Tanz, wo schon geringes Können und ein glitzerndes China-Kostüm ausreichen, um sich der Öffentlichkeit als Showgruppe zu präsentieren.
Sobald ich vor Otto-Normal-Zuschauern auftrete, bin ich eine Botschafterin meines Tanzes.
Wie wollen wir je erreichen, dass der durchschnittliche Europäer unseren Tanz anerkennt, wenn wir selbst ihn so abfällig behandeln?