Da ich über die Facebookmeldung über den Adventskalender auf Yuliyahs Blog stolperte, nutzte ich die Gelegenheit, zu schauen, was es dort sonst noch an Neuem gab. Dort fand ich dieses sehr interessante Interview mit Cihangir zu seinem 25-jährigem Bühnenjubiläum:
Monatliches Archiv für: Oktober, 2013
Bauchtanz-Adventskalender
Auf Yuliyahs Blog wird es auch in diesem Jahr wieder einen Video-Adventskalender geben. Stimmt ab, welches Thema er bekommen soll: http://y2b-blog.de/2013/umfrage-zum-y2b-bauchtanzvideo-adventskalender-2013
Bauchtanz vs. Breitensport: Spaß vs. Ästhetik?
In den vergangenen Wochen habe ich etwas realisiert, vor allem dank meiner Wiebke-Frauen und auch dank des Übungsleiterscheines: die heutige Gesellschaft bleut den Menschen ein, sich mehr zu bewegen, was für ihre Gesundheit zu tun und (präventiv) Übergewicht und Zivilisationskrankheiten entgegen zu wirken, durch Sport. Wenn Ottonormalmenschen sich bei einem Kurs anmelden, um wenigstens das eine Mal pro Woche eben auf diese Weise was für sich zu tun, wöchentlich ihren inneren Schweinehund überwinden, zum Kurs erscheinen und dort aktiv teilnehmen, gar aktiv mitgestalten, dann ist das ihr Beitrag zu einem bewegteren und gesünderen Lebensstil. Das ist in sich eine gute, respekt verlangende Sache. Ich sollte als Übungsleiterin anerkennen, dass sie sportlich aktiv werden, indem sie sich zu meinem Kurs anmelden, dort regelmäßig erscheinen und mitmachen, sich sogar aktiv einbringen. Und ich sollte als Trainerin anerkennen, dass sie damit ihren Teil der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Bewegung und auch ihren Teil in der Übungsleiter-Teilnehmer-Abmachung einhalten.
Ich persönlich tanze mit sogenanntem Leistungsmotiv: ich will eine Entwicklung in meinen Fertigkeiten erkennen, will dazu lernen, will ästhetischer tanzen, will mich weiterentwickeln, will Ausbildungen absolvieren. Wie so viele andere Tanzende habe ich jene Frauen belächelt, die mit mäßigen Fähigkeiten aber Chinakostüm und stolzem Lächeln die Bühnen der Tanzschulen vor Ort stürmen. Das tue ich auch weiterhin, aber mit mehr Verständnis.
Ich bin immer noch der Meinung, dass man unseren Tanz nicht misrepräsentieren sollte, dass man für öffentliche Bühnenauftritte tänzerisch bereit sein sollte, bevor man sie macht, um der Öffentlichkeit kein schiefes Bild vom Bauchtanz zu vermitteln.
Ich denke aber auch, dass es absolut vermessen wäre, meine als Tanzlehrerin für mein Gruppe vorhandenen Leistungsmotive den Teilnehmerinnen überzustülpen und von ihnen zu verlangen, meinem Kurs treu und motiviert zu folgen, wenn sie selbst eher der netten Gruppe, der wöchentlichen Portion Tanz und allgemein des Spaßes wegen ihre Teilnahme an meinem Kurs bezahlen.
Im organisierten Sport unterscheidet man zwischen Breitensport (Kinderturnen, Seniorensport, Fußballherren ohne Turnierambitionen, Aerobicgrupppe, usw.) und Leistungssport (Sportarten mit Teilnahme an organisierten Wettkämpfen, Leistungsvergleichen, Ziel der Leistungssteigerung). Dort wird es als normal angesehen, dass Anfänger im Breitensport beginnen und dass es in diesen Gruppen hier und da mal Teilnehmer gibt, die mit der Zeit mehr wollen. Diese „Talente“ zu erkennen und zu fördern ist Aufgabe des Trainers, der diese Leute dann zu speziellen, leistungsorientierten Gruppen hinführt. Auf den Tanz übertragen wären das die breitensportlichen Anfänger- und Mittelstufenkurse und im Leistungsbereich die Masterclass und die Auftrittsgruppe.
Auf den Tanzunterricht übertragen hieße das, in den breitensportlichen Gruppen den tatsächlichen Motiven und Zielen der Teilnehmer Rechnung zu tragen, sei es physisch (Fitness, Beweglichkeit, Gesundheit), emotional (Spaß, Gruppengefühl, positive Körperwahrnehmung), sozial (Gruppenzugehörigkeit, sich austauschen, gemeinsam etwas schaffen) oder kognitiv (Aufgaben lösen, Koordination, Neues lernen). Dann sollte ich in der Stunde Übungsformen oder Aufgaben anbieten, in denen das Verfolgen solcher Ziele aktiv möglich ist. Dann sollte ich den Anteil des Frontalunterrichts vor dem Spiegel zum Üben Üben Üben der Bewegungen verringern, um bewusst dem Ausleben der Motive meiner Teilnehmerinnen Platz zu bieten. Da auch gruppenspaßorientierte Teilnehmerinnen durch eigene Fortschritte motiviert werden, hat natürlich auch das Techniktraining seinen Platz. Ohne Technik kein Tanz. Es stellt sich aber die Frage nach Gewichtung und Gestaltung. Und da sind wir und unsere Kreativität gefragt: welche Alternativen kann ich meinen Teilnehmerinnen anbieten? Weg vom Frontalunterricht, weg vom reinen Üben und Drillen. Wenn ich meinen Teilnehmerinnen vorschreibe, während des frontalen Techniktrainings den Mund zu halten, die ganze Stunde aber nur aus Techniktraining vor dem Spiegel und vielleicht ein, zwei Diagonalen im Raum besteht, kann ich den Teilnehmerinnen in der Stunde keine Spielräume für das Ausleben sozialer Motive bieten. Alternativ kann ich nach dem Aufwärmen ein Techniksegment einlegen (Ruhe bitte, deine Nachbarn wollen sich auch konzentrieren können), danach die gelernten Techniken in Gruppenaufgaben praktisch anwenden lassen (soziale, emotionale, kognitive Elemente) und abschließend die Kleingruppen wieder zu einem großen Kreis zusammenführen (Gruppenzugehörigkeit, emotionale Aspekte). Die Aufgabe, zugewiesene, im Techniksegment gelernte Bewegungen in einer von der Kleingruppe zu erstellenden kurzen Kombination einzusetzen, diese dann vorzustellen und in der ganzen Gruppe gemeinsam zu tanzen, wäre ein gutes Bespiel für ein solches Vorgehen.
Leidet unter einem derart alternativem Unterrichtsstil nicht das Können der Gruppe im Vergleich zu „Gleichaltrigen“? Bedenkt die Faktor Motivation, denn in einem Umfeld des Respekts, wo man sich selber als Mensch einbringen kann und Selbständigkeit im Erlernen und Ausprobieren möglich und erwünscht ist, kann man effektiver lernen. Davon abgesehen ist ja immer noch Techniktraining im Unterricht vorhanden. Außerdem war bisher noch kein Wort zum Thema Choreografien gefallen, denn ich würde mehr Zeit mit Improvisation und Gruppenaufgaben und dafür weniger Zeit mit Choreografielernen verbringen. Scließlich unterscheide ich zwischen Breitensportlicher Gruppe (höchstens Auftritte im geschützten Raum, z. B. Feiern der Tanzschule/des Vereins, oder die berüchtigten Auftritte im Seniorenheim) und einer leistungsorientierten Gruppe (öffentliche Auftritte möglich, z. B. Stadtfest, oder auch Gastauftritte bei anderen Shows). Dort sind dann klare Leistungsmotive vorausgesetzt – und vorhanden! – und es wird dementsprechend weniger gespielt und mehr gearbeitet.
Soweit meine schöne-neue-Welt-Theorien und Ideen. Mich würde eure Meinung interessieren, gerade wenn ihr erfahrene Lehrerinnen seid oder aus der Sicht eines Teilnehmers sprecht.
ÜL-C: Aufbauseminar
So, warum habe ich in der letzten Zeit so wenig geschrieben?
Tja, da wäre beispielsweise meine Existenzgründung, jede Menge Crosstraining, mein erster eigener Kurs beim örtlichen Sportverein und jetzt hat auch noch das Aufbauseminar zum Übungsleiter C Breitensport begonnen. Über das Basismodul hatte ich im März berichtet (HIER Wochenende 1 und HIER Wochenende 2). Für mich, für euch und auch für Leute, die mit der Idee spielen, selbst den ÜL C zu machen, möchte ich auf dieser Seite von den sechs Wochenenden berichten. Sprich: ein Beitrag für die gesamte Zeit, das ist übersichtlicher im Blog und für Interessierte flüssiger zu lesen.
Wochenende 1: Organisatorisches, Spiele und Trendsport
Im Aufbauseminar sind wir 18 Frauen, davon ist der überweigende Teil jünger als 25 und es ist wieder eine bunte Mischung an Sportarten vertreten. Diesmal sind mehrere Tänzer dabei, auch eine ehemalige Bauchtänzerin, die früher sogar mit Schlange tanzte. Die ersten beiden Dozenten wirken sehr, sehr professionell, die Theorie- und vor allem die Praxisphasen sind super gemacht und gespickt mit diesen vielen kleinen Dingen, die einem erzählen, wie verdammt gut die beiden als Lehrer und Gruppenanleiter sind.
Nach viel Grundsätzlichem und Hinweisen zu den Teilnehmerstunden, dazwischen Kennenlernspiele, gibt es nach dem Mittag eine Beispiel-Breitensportstunde mit unterschiedlichsten Spielen wie z. B. Wo ist meine Mütze, Schnick Schnack Schnuck Prinzessin oder dem Alaskaspiel mit immer weiter schmelzenden Inseln aus Zeitung. Danach eine halbe Stunde Reflektion: jedes Spiel wird analysiert auf Ziele (körperlich, kognitiv, emotional oder sozial), mögliche Zielgruppen, potentielle Gefahren, Schwierigkeit, Machbarkeit usw. Wahn.sinn.!
Sonntag war das große Thema Trendsport, was ist Trendsport, aktuelle und nicht mehr ganz neue Trends, wann ist es kein Trend mehr, wie geht man als Sportverein mit Trends um, usw. Als Praxisbeispiel (methodische Reihe!) hat die eine Hälfte der Teilnehmer Unihockey gespielt, die andere Prengelball, danach spielten beide Gruppen gegeneinander erst das eine, dann das andere. Unihockey hat den Vorteil, dass mit beiden Seiten des Schlägers gespielt werden darf, allerdings wird nicht geschossen, sondern geschoben. Prengelball spielt man mit kurzen Schlagstöcken, an deren Kopf ein Ball befestigt ist, etwa wie ein kleiner Gymnastikball. Damit kann man den verwendeten Fußball nicht führen, man kann nur den Ball direkt weiterschlagen. Durch beide Faktoren, also das Gewicht der Schläger und dem direkten Abspiel, ist es ein wuchtiges und schnelles Spiel, bei dem ich als Teil der Hockeygruppe doch ein Training in dem Spiel vorher gewünscht hätte. Unihockey hat mir dagegen sehr viel Spaß gemacht, es war das erste Mal in meinem Leben, dass mir ein Mannschaftssport mit Ball wirklich Spaß gemacht hat. Insgesamt würde ich sagen, dass ich in Sachen Ball gar nicht so schlecht bin, wie ich vom verhassten Schulsport in Erinnerung hatte… schon allein die Tatsache, nicht von meinen damaligen Mitschülern und Sportlehrer umgeben zu sein, sondern von Leuten, die mich nicht kennen, hat sehr geholfen.
Wochenende 2: Anatomie, funktionelles Krafttraining, Sinne, Führungsstile
Der Samstag war für mich einfach nur klasse! Anatomie und nach Gesundheitsaspekten ausgerichtetes Training sind meine persönlichen Steckenpferde. Super fand ich den Praxisteil, den die Lehrgangsleiterin (ehemals Karatekämpferin auf Bundesebene…) mit uns machte. Anhand veralteter Übungen für Kraft und Beweglichkeit sollten wir in Kleingruppen Kritikpunkte und Alternativen erarbeiten, was dann im großen Kreis vorgeführt und mitgemacht wurde. Danach gab es 8 Übungsstationen, an denen wir mögliche/typische Risiken bei der Ausführung der Übungen sowie wichtige Anweisungen und Korrekturen erarbeiteten sollten. Danach gab es jede Menge Tipps ums gestalten und durchführen von Krafttraining, von Kraftarten bis Anzahl und Steigerung der Übungen. Rundum klasse!
Am Sonntag ging es um die Sinne, zunächst gab es Partnerarbeit mit „Nachtsichtsimulationsbinden“. Dann wurden zwei Parcoure aufgebaut. bei dem einen wurde ein Gitternetz auf den Boden geklebt, mit Töpfchen unterschiedlichen Inhalts auf den Kreuzungen. Enthielt der Inhalt ein „l“ z. B. eine Zwiebel, musste man links abbiegen, war es ein „r“ wie in Zitrone, ging es rechts weiter – bei Kaffee rutschte man einfach geradeaus weiter. In der Hallte wurde während dessen ein Parkour aufgebaut, bei dem man sich blind an einer Schnur entlangtastend unterschiedlichste Hindernisse bewältigen musste – total genial und sauspannend!
Hier ein paar Fotos:
Der Eingang. Die Matte war so eng gestellt, dass man sich auf allen Vieren durch einen Spalt unbekannter Größe quetschen musste, dann folgte ein federndes Sprungbrett. wenige Schritte danach fing das Seil an.
Ein umgedrehter Kastendeckel mit jede Menge Tennisbällen – einfach und genial! Als „Blinde“ wusste man gar nicht, wieviele Leute um einen herum waren, es war eine Mischung aus hilflosem „was kommt jetzt?!?“ und spannender Entdeckerneugier!
Weiter gings unter dem Fallschirm-Baldachin hindurch – tolle Sinneseindrücke! und durch einen sehr engen Tunnel aus Stufenbarren und Matten. Durch die Höhe des Seils krabbelte man auf 3 Beinen hindurch. Die Hütchen hatte ich gar nicht wahrgenommen
Eine wirklich tolle Station! Wieder 3- bis 4-beinig, diesmal eine schräge Ebene hinab, Kopf voran – klasse! Allein schon blind über die verschiedenen Matten zu gehen war sehr anregend.
Die letzten 4 Hindernisse: hiervon ist mir die vorletzte in besonderer Erinnerung geblieben, ich hatte den Eindruck, ich krabbele 3-beinig über sich ständig verschiebende Stäbe und kein starres Gitter.
Die Gruppe, die diesen Pakour entworfen und aufgebaut hat, war echt kreativ und es war ein einmaliges Erlebnis!
Wochenende 3: Sicherheit im Sport a.k.a. Pleiten, Pech und Pannen…
Am Samstag war von vorne bis hinten der Wurm drin. Wir waren nicht mehr in der wunderschönen neuen Halle, sondern in einer durchschnittlichen Halle aus den 70er/80er Jahren mit intensivem Käsefußgeruch und angeranzten Geräten. Kurz davor eine Baustelle, so dass die meisten zu spät und abgehetzt kamen, in einem Fall nach einem kleinen Unfall des Kindes zuhause – ein erster Vorbote.
Thema war zunächst Sicherheit im Sport und nach kurzer Theoriephase sollten wir in Kleingruppen Gerätestationen aufbauen mit den Tätigkeiten wippen, balancieren, schwingen oder hangeln und mindestens einem vorgegebenen Gerät. Dann gingen wir Station um Station ab, wobei einer der beiden Lehrgangsleiter einen übermütigen Vertreter der Zielgruppe Kinder darstellte. Die erste Station bestand aus einem Reck, einem Stufenbarren und einer schräg eingehängten Bank, rechtwinkelig U-förmig aufgestellt. Bei den beiden Stangen am Reck und am Stufenbarren sollte man auf der unteren Stange balancieren und sich an der jeweils höheren festhalten. Nach kurzem Check der Geräte nahm sich einer der Lehrgangsleiter voller Elan die Benutzung als rücksichtslos-übermütiges Kind vor und endete das mit einem Absprung vom Reck , um mit einer Arschbombe auf der noch nachträglich hinzugefügten dicken Weichmatte zu landen – allerdings ungebremst, da diese noch einigermaßen frisch aussehende Matte so durchgenudelt war, dass sie fast gar keinen Effekt mehr hatte… Schmerzen, große Schmerzen… aber zumindest noch Gefühl in den Beinen. Die Retter waren zum Glück schnell da, das Krankenhaus nicht weit. Der Lehrgangsleiter wurde aber bis zur Diagnose durch einen Spezialisten am Montag einbehalten. Übrigens hatte die Halle mitsamt Gerät in der Woche vor unserem Seminar noch einen offiziellen Sicherheitscheck und offiziellem „Bestanden“-Stempel…
Ihr könnt euch die Stimmung vorstellen – aber das war leider noch nicht das Ende. Später kasperte einer Teilnehmerin noch der Kreislauf weg, eine andere musste nach Hause und ihre Tochter ins Krankenhaus bringen, nach einem heftigen Zusammenstoßen mit dem heimischen Gartentor.
Ich habe mich trotz allem abends doch noch aufgerafft, zur Show der Tanzbühne Greven zu fahren, da das Studio im Frühling die Besitzerin gewechselt hatte, die ich noch nicht kannte. Ich sah schon an der Kasse stehend meine beste Freundin aus Schulzeiten im Publikum, die ich seit über 2 Jahren nicht mehr gesehen hatte, als – – – ich feststellen musste, dass es keine Karten mehr gab.
Hat mich an der Stelle irgendwie nicht überrascht.
Zum Glück waren einige Kartenbesitzer doch nicht erschienen, so dass ich später noch rein durfte.
Wieder zuhause empfing mich dann der Lärm der präpubertären Nachbarstochter, die anscheinend eine Karokeparty feierte, bis halb zwei… um halb neun war ich wieder auf dem Weg zum sonntäglichen Seminar… fix und fertig.
Weitere Themen waren Lernen (Lernformen, Lerntypen), Zielgruppen im Sport, Spiele (Spiele entwickeln, warum, wofür), Einsatz von Spielen zum Erlernen von Techniken (Techniktaktikmodell, Spielgemäßes Konzept integratives Modell). Vieles wurde nur noch theoretisch abgehakt, gerade am Samstag nach dem Unfall. Uns wurde dann an beiden Tagen noch Zeit gegeben, uns auf die Teilnehmerstunden vorzubereiten, wobei wir immer zu zweit eine Stunde vorbereiten und abhalten werden –> Wochenende 4&5
Jetzt kommen aber erstmal zwei freie Wochenenden!
Bauchtanz + Ballett = Bastardisierung…?
Neulich stolperte ich über eine Aussage einer Ikone des Bauchtanzes in Deutschland, die mit Blick auf die diversen heute stattfindenden Fusionen, gerade mit Modern, Jazz oder Ballett sagte, es geschehe eine „Bastardisierung“ des Bauchtanzes. Diese verändere, verwässere den Bauchtanz, so dass der eigentliche Kern, die eigentliche Aussage und eigentliche Attraktivität verloren ginge, während es aus Sicht von Spezialisten der verwendeten Fusionspartner unbeholfen bis lächerlich wirken müsse.
Zunächst: Dass man sich mit den fremden Elementen, die in eine Fusion eingebracht werden, sehr gut auskennen sollte und die eigenen Fertigkeiten mindestens ein gutes Basisniveau haben sollten, ist für mich Grundvoraussetzung.
Wer Fusionen mit westlichen Tanzstilen meint, nimmt meist als erstes das Wort Ballett in den Mund. Ballett als Maß der Dinge, hmm, da habe ich so meine Bedenken, erst recht, wenn es zwischen den Zeilen danach klingt, als sei die Anerkennung von Bauchtanz durch Balletttänzer/-lehrer wichtig, nötig und erstrebenswert. Meist kommt dann noch der Satz, Ballett habe den modernen Bauchtanz seit den Tagen von Badia Masabni geprägt… da fällt mir immer DIESER Artikel zu ein.
Bauchtanz und Ballett sind definitiv zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Frage: darf und kann und sollte man sie mischen?
Ich selbst würde, was die Kombination von Bauchtanz mit Elementen von Ballett, Modern, Jazz oder anderen „westlichen“ Tanzstilen angeht, nicht von Bastardisierung und zwingendem Verlust des ursprünglichen Reizes von Bauchtanz sprechen. Denn dann wäre der Bauchtanz einer Randa Kamel, eines Mahmoud Reda oder einer Samia Gamal verdammenswerter, bastardisierter Bauchtanz… und die dazugehörige Musik gleich mit, Auftritte zu Enta Omri wären immer Bastard-Bauchtanzauftritte, schließlich war Abdel Wahab berühmt für seine Kombination von orientalischer Musik mit europäischen oder südamerikanischen Elementen und Oum Kulthoum war später Bühnenschlampe genug, ihn zu engagieren… naja, spätestens da möchte ich mich von diesem speziellen Gedankengang verabschieden.
Und: wie wichtig ist stilistische Reinheit, wenn man die Aufführungssituation verändert? Sobald Bauchtanz auf eine Bühne gestellt wird, muss sich Bauchtanz an die neue Situation anpassen, denke ich. Genau das geschah in den Varietés von Badia und Co wie auch in den Filmstudios, denen wir die Goldene Ära verdanken. mMn war dabei der Revuetanz und die Aufführungsgewohnheiten der damals beliebten Revueshows prägend und bereits das war eine bunte Mischung aus westlichen, europäischen sowie nord- und südamerikanischen Tanzstilen und -praktiken.
Womit wir wieder beim Thema Westlicher Tanz im Orientalischen Tanz wären.
Ich denke, dass man von anderen Tanzstilen sowie von anderen Künsten oder anderen Menschen immer was lernen kann, das einen selbst im eigenen Tanz weiterbringen kann oder zumindest Denkanstöße für laufende kreative oder tänzerische Prozesse gibt. Für mich ist das beispielsweise die Fotografie.
Ich denke auch, dass man, wenn man auf einer Bühne tanzen und bestehen will, mit dieser Auftrittssituation umzugehen lernen sollte. Stehe ich auf einer großen freien Fläche über dem dunklen Zuschauerraum statt im Kreise der Zuschauer, muss ich meinen Tanz anpassen. Für Bühnenauftritte sollte ich den Umgang mit einer Bühne lernen. Punkt.
Schritte und Drehungen sowie allgemein die Nutzung einer größeren Fläche und möglicherweise vorhandener Technik für den eigenen Tanzauftritt sind Themen, mit denen sich Ballett und seine modernen Verwandten seit sehr langer Zeit beschäftigen. Warum also das Rad komplett neu erfinden wollen, wenn ich fertige und bewährte Techniken studieren und dann nach eigenem Gutdünken in meinen eigenen Tanz übertragen kann?
Ja, genau das Übertragen kann zu weit gehen und richtig kacke und absolut Fremdkörperartig aussehen. Muss es aber nicht, siehe beispielsweise Djamila. Ich halte sie für ein gutes Beispiel, da mMn bei ihr die klassisch-europäische Tanzausbildung dem Bauchtanz für den Bühnenauftritt dienend und unterstützend zur Seite steht, mehr nicht. Und mehr sollte es mMn auch nicht sein – nicht für mich persönlich jedenfalls. Ich selbst möchte durch Unterricht in westlichen Tanzstilen beispielsweise meine Drehungen verbessern, um endlich in meinen Bauchtanz gekonnte Drehungen ohne Verwackeln einfließen zu lassen.
Ich finde, wir sollten uns aber unsere Eigenständigkeit als Bauchtänzer bewahren, auch wenn wir westliche Elemente einbauen oder westliche Tanzstile ausüben. Wie gut das Resultat ausfällt, ist nicht nur Geschmackssache, sondern auch von den eigenen Fähigkeiten in Tanz und Übertragung der neuen Elemente abhängig.
Das oben erwähnte Anbiedern beim Ballett auf der Suche nach Anerkennung für den Bauchtanz halte ich nicht für die richtige Strategie. Wir sollten auf der Bühne, im Unterricht und im persönlichen Umgang als Profis und als Tänzer überzeugen. Denn Bauchtanz und Ballett sind mMn aus tänzerisch-künstlerischer Sicht absolut gleichwertig, der Unterschied liegt in der Geschichte, den Traditionen und den tanzenden Menschen.